Als ich meinen damals zukünftigen Mann zum ersten Mal sah, stand er allein an einen Pfosten gelehnt in meiner damaligen Lieblingskneipe. Ich spielte gerade Tischkicker mit ein paar Freunden und hatte wohl mehr als ein Bier getrunken. Das Spiel mochte ich nie besonders, aber es war besser als nichts zu tun. Als ich ihn so allein herumstehen sah, hatte ich das Bedürfnis ihn anzusprechen: „Was stehst du denn da so allein rum?“ fragte ich ihn. Er erzählte, dass er neu in die Stadt gezogen war. Ich bot ihm an, meinen Part beim Tischkicker zu übernehmen und so wurde er gleich in der Gruppe aufgenommen. Wir mochten uns von Anfang an sehr.
Er war anders als die Menschen, mit denen ich sonst zu tun hatte. Er zog sich ordentlicher an und schien nicht ganz so viel zu trinken. Bald erfuhr ich, dass er sogar studiert hatte. Für mich als Schulversagerin war das sehr weit weg. Ich hatte absolut keine Vorstellung davon, was das alles bedeutet oder warum das irgendwas bedeuten sollte. Zu dieser Zeit hatte ich zwei Jobs als Putzfrau: in der Kneipe, in der ich ihn kennengelernt hatte und in einem Club in der Nähe. Das Geld reichte trotzdem nur knapp zum Leben. Aber für mich und meinen Hund war es genug. Es kam ein paar Mal vor, dass er mir entgegenkam, als ich gerade von meiner Arbeit im Club kam. Dass jemand wie er sich in mich verlieben könnte, hätte ich nie gedacht. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und er war außergewöhnlich respektvoll mit mir. Er hatte schon sehr früh seine Eltern verloren. Als er 18 Jahre alt war, sind beide im Abstand von 3 Monaten an verschiedenen Krebsarten gestorben. Kurz bevor er sein Abitur machte. Dieser Mann beeindruckte mich mit seiner Widerstandskraft. Wie hatte er es nur geschafft, nach diesen Erlebnissen weiterzumachen und sich so ein tolles Leben aufzubauen?
Ich bewunderte ihn sehr. Er wusste zu allem eine Antwort und wenn er sie nicht wusste, war seine Neugierde so groß, dass er sofort irgendwo nachschlug. Es dauerte nicht lange, bis wir unser erstes Kind erwarteten. Das war eine wunderschöne Zeit. Wir zogen in ein kleines Häuschen in einem kleinen Dorf, strichen die Wände selber an, machten es uns heimelig. Und als der Kleine endlich da war, war unser Glück perfekt. Wir wussten von Beginn an, dass wir mindestens zwei Kinder haben wollten. Es sind dann zum Glück drei geworden. Als unser Sohn ein Jahr alt war, heirateten wir. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits mit unserer Tochter schwanger. Von M. lernte ich sehr viel über das „normale“ Leben. Wir gingen respektvoll miteinander um. Ich lernte, dass man Dinge bewältigen kann. Dass man einen Schritt nach dem anderen geht. Und ich erkannte immer deutlicher, dass die Familie, in der ich aufgewachsen war, nicht normal war. M. und ich waren 12 Jahre verheiratet. Auch nach der Trennung sind wir noch befreundet. Er kümmert sich sehr verantwortungsvoll um die Kinder und unterstützt uns, wenn das nötig ist, auch über seine Pflichten hinaus.